Drei Frauen und ein falsches Leben by Dora Heldt

Drei Frauen und ein falsches Leben by Dora Heldt

Autor:Dora Heldt [Heldt, Dora]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423441308
Herausgeber: dtv


September 1960

»Esther?« Madame Leclerc, in der Hand die qualmende Zigarettenspitze, schob plötzlich den Vorhang zurück und sah sich suchend um. »Wo stecken Sie? Ah, da sind Sie ja. Vorn steht eine Dame, die nach Ihnen gefragt hat.«

Der Vorhang fiel wieder zu, eine Tabakwolke waberte durch den Raum. Seufzend legte Esther die Schneiderschere zur Seite und richtete sich auf. Vor dem Spiegel zog sie rasch ihre Lippen nach und knetete mit beiden Händen ihre dunklen Locken. Erst dann schob sie den Vorhang zur Seite und ging ins Ladenlokal, um sofort verblüfft stehen zu bleiben. »Frau Bellmann?«

»Esther.« Frau Bellmann, in einem eleganten Kostüm im Pepita-Muster und perfekt geschminkt, kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. »Esther Schulze, da ist die Überraschung wohl gelungen. Lass dich ansehen.«

»Ich heiße jetzt Esther Brenner«, versuchte sie noch zu sagen, bevor sie in einer parfümschweren Umarmung versank und vom Duft fast ohnmächtig wurde.

»Was?« Frau Bellmann ließ sie sofort los. »Was hast du gesagt?«

»Ich habe geheiratet«, Esther taumelte zurück und musste niesen. »Entschuldigung, ich heiße jetzt Brenner.«

»Nein«, ein ungläubiges Lächeln breitete sich in Frau Bellmanns Gesicht aus. »Das wusste ich ja gar nicht. Warum hat mir das keiner erzählt? Ja, dann gratuliere ich dir natürlich. Wer ist denn dein Auserwählter? Ich wollte dir ja …«

Sie stockte und sah sich unauffällig um, bevor sie ihre Stimme senkte und sich zu ihr beugte. »Vielleicht können wir eine Tasse Kaffee trinken gehen?«

Etwas verwundert sah Esther auf ihre Uhr. »Ich habe aber erst in einer halben Stunde Feierabend.«

»Ja wunderbar«, Frau Bellmann schob ihre Handtasche über den Unterarm und nickte. »Ich erwarte dich im Kaffeehaus hier gegenüber. In einer halben Stunde, bis gleich.« Sie richtete ihren Hut, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Modesalon, die Tür schloss sich fast geräuschlos hinter ihr.

Sprachlos blieb Esther stehen und sah ihrer ehemaligen Lehrherrin durchs Schaufenster nach. Warum war sie gekommen? Und was wollte sie von ihr?

»War das keine Kundin?« Die rauchige Stimme ihrer Chefin ließ sie herumfahren.

»Nein«, sie sah Coco Leclerc an, »Frau Bellmann war meine Lehrherrin. Ich habe keine Ahnung, wie sie mich gefunden hat. Vielleicht war es ein Zufall.«

»Aha«, die exakt gezupften Augenbrauen hoben sich. »Vielleicht. Lieber wäre mir gewesen, wenn sie etwas gekauft hätte. Aber gut. Ist das Cape für Frau Danielsen fertig? Sie will es am Nachmittag abholen lassen.«

»Fast«, Esther straffte die Schultern und ging an ihr vorbei in die hinteren Räume. »Ich mache es noch fertig, bevor ich gehe und hänge es auf die Puppe.«

»Gut«, Coco Leclerc musterte sich bewundernd in dem großen Spiegel und nickte. »Alles gut.«



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